Stress ist nicht das Problem – unsere Reaktion darauf schon
Stress ist nicht das Problem – unsere Reaktion darauf schon

Einleitung
Stress ist nicht per se unser Feind. Ohne ihn wären wir kaum leistungsfähig. Stress aktiviert uns, fokussiert unsere Aufmerksamkeit und hilft uns, in entscheidenden Momenten Energie zu mobilisieren. Doch während unser Körper auf Säbelzahntiger programmiert ist, sind es heute Meetings, Deadlines oder innere Ansprüche, die denselben Alarm auslösen.
Der Unterschied: Früher rannten wir los – heute sitzen wir fest.
Was also passiert wirklich, wenn wir gestresst sind – und wie kann Achtsamkeit helfen, wieder die Wahlfreiheit zwischen Reiz und Reaktion zu gewinnen?
Die Stressphysiologie – was im Körper passiert
Wenn wir Stress empfinden, aktiviert sich die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse). Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, Puls und Atmung steigen, Blut fließt in Muskeln statt in den Verdauungstrakt. Kurzfristig perfekt – langfristig riskant.
Das Problem: Unser Körper unterscheidet nicht zwischen realer Gefahr und Gedanken wie
„Ich darf mir keinen Fehler leisten“ oder „Was, wenn ich versage?“.
So kann sich chronischer Stress im Körper festsetzen – mit Folgen wie Erschöpfung, Gereiztheit, Schlafstörungen oder Entscheidungsmüdigkeit.
Die Stressreaktion selbst ist also
nicht das Problem – sie ist ein evolutionär sinnvolles Programm.
Das Problem ist,
wenn sie dauerhaft aktiv bleibt, weil wir nie den „Reset“-Knopf drücken.
Wie Achtsamkeit den Reset ermöglicht
Achtsamkeit verändert den Umgang mit Stress nicht durch Wegdrücken oder positives Denken, sondern durch
bewusste Wahrnehmung.
Im MBSR-Training (Mindfulness-Based Stress Reduction) wird dieser Reset auf drei Ebenen erfahrbar:
- Körperlich:
Durch achtsames Spüren (Body Scan, Atembeobachtung) nehmen wir früh wahr, wenn sich Anspannung aufbaut. Wir greifen also nicht erst ein, wenn es „zu spät“ ist. - Emotional:
Wir lernen, Gefühle als Signale zu erkennen – nicht als Bedrohung. Wut, Angst oder Druck dürfen da sein, ohne uns zu steuern. - Kognitiv:
Durch regelmäßige Praxis beobachten wir Gedanken, statt ihnen automatisch zu folgen. Das öffnet Raum für bewusste Entscheidungen.
Neurobiologisch betrachtet stärkt Achtsamkeit die
Verbindung zwischen präfrontalem Kortex und Amygdala – also zwischen rationalem Denken und emotionalem Alarmzentrum.
Das bedeutet: Wir reagieren
weniger reflexhaft und
mehr bewusst.
Stress im Führungskontext – Verantwortung beginnt bei mir
In Führungsrollen ist Stress oft an der Tagesordnung – aber die Art,
wie wir damit umgehen, beeinflusst das ganze System.
Wenn Führungskräfte dauerhaft im „Fight-or-Flight“-Modus agieren, überträgt sich das auf ihre Teams.
Stress ist ansteckend –
aber Gelassenheit auch.
Achtsame Führung heißt daher:
- Früh wahrnehmen, wenn der eigene Körper in Alarm geht.
- Kurz innehalten, bevor gehandelt wird.
- Bewusst kommunizieren statt impulsiv zu reagieren.
- Erkennen, dass die eigene Präsenz wirkt – auch nonverbal.
Ein einfacher Einstieg:
Drei bewusste Atemzüge, bevor du eine Entscheidung triffst, eine Mail abschickst oder in ein schwieriges Gespräch gehst.
Klingt banal – ist hochwirksam.
Vom Reiz zur bewussten Wahl
Viktor Frankl formulierte es treffend:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.“
Genau diesen Raum kultiviert Achtsamkeit.
Nicht, um Stress zu vermeiden – sondern um
bewusst mit ihm zu tanzen.
So wird aus Stress kein Gegner, sondern ein Lehrer: Er zeigt uns, wo wir gefordert, aber auch überfordert sind.
Achtsamkeit hilft uns, diesen Moment zu erkennen – und dann bewusst zu atmen, zu handeln oder loszulassen.
Fazit
Stress ist unvermeidlich. Aber wie wir darauf reagieren, ist trainierbar.
Mit Achtsamkeit üben wir genau das:
Wahrnehmen statt reagieren, handeln statt getrieben sein.
Und genau darin liegt wahre innere Stärke – im Führungskontext ebenso wie im Leben.






